| Interkulturelles Training |
Autorin: Ellen Karacayli
Aus: Kulturelle und religiöse Vielfalt - bethel»wissen No. 02
Mit der Teilnahme an einem interkulturellen Training werden verschiedene Ziele verbunden: die Sensibilisierung von Mitarbeitenden für die Zusammenarbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund, ... das Wissen darüber, was in der Zusammenarbeit zu beachten und was zu vermeiden ist und das Erkennen der eigenen kulturellen Eingebundenheit und die Entwicklung der persönlichen Haltung.
Doch wie lassen sich diese Ziele im Rahmen eines Trainings umsetzen? Zunächst ist es wichtig, sich mit dem Aspekt der „Fremdheit“ zu beschäftigen. Wir empfinden etwas als „fremd“, wenn wir zwischen uns und dem anderen eine Diskrepanz wahrnehmen und konstruieren auf diese Weise das sogenannte „Fremde“ selbst.
Der Umgang mit Fremdheit ist häufig emotional geprägt, da die Bereitschaft vorausgesetzt wird, sich selbst und die gewohnte Sicht auf die Welt in Frage zu stellen.
Im Erleben des Fremden steckt die Unterscheidung zwischen „uns“ und „den anderen“. Der Umgang mit Fremdheit kann sehr verschieden sein: Der Gedanke der Assimilation oder auch der Anpassung besagt, dass die anderen Kulturen sich so verändern sollen, dass sie im Kontakt zu der Mehrheitsgesellschaft nicht als „anders“ oder „fremd“ erscheinen. Eine weitere Möglichkeit des Umgangs besteht darin, die Fremdheit einfach als solche zu belassen. Allerdings können sowohl die Assimilationsidee als auch die Vermeidungshaltung gegenüber der fremderscheinenden Kultur zur Segregation oder auch Absonderung und Ausgrenzung bestimmter gesellschaftlichen Gruppen führen. Der entscheidende Schritt in einem interkulturellen Training ist deshalb, auf die Entdeckungsreise der eigenen Kultur zu gehen, wenn etwas als andersartig empfunden wird, um die Handlungssicherheit im Umgang mit dem „Fremden“ zu erlangen. Dieser Prozess der Sensibilisierung für die eigene Kultur ist ein wichtiger Schritt zum Erlangen der transkulturellen Kompetenz.
Transkulturelle Kompetenz bedeutet, dass Menschen in der Lage sind, Unterschiede zu erkennen und die Differenzen emotional und kognitiv aushalten zu können, um etwas Neues entstehen zu lassen. Eine wichtige Eigenschaft in diesem Prozess ist die Selbstreflexion. Dabei geht es um die Erkenntnis, dass unsere Wahrnehmung und unser Handeln häufig durch existierende Vorurteile und Stereotypen geprägt werden. Stereotypen sind kulturell bedingte, nicht hinterfragte, festgefahrene Meinungen über Eigenschaften und Besonderheiten einer anderen Gruppe. Sich jedoch darüber bewusst zu werden, dass die eigene Wahrnehmung subjektiv ist und aufgrund des eigenen individuellen soziokulturellen Hintergrunds entsteht, ist auf dem Weg zur transkulturellen Kompetenz ein wichtiger Schritt. Das Konzept der Transkulturalität basiert nicht auf Unterschieden, sondern sucht ganz bewusst nach grenzüberschreitenden Gemeinsamkeiten und Verbindendem.
Jedes Individuum konstruiert seine eigene Lebenswelt, die von biografischen Erfahrungen und äußeren Lebensumständen ebenso geprägt ist, wie von dem eigenen soziokulturellen Hintergrund und den Blick auf das „Fremde“ beeinflusst. Es gibt keine objektiven Beobachtungen und Wahrnehmungen auf andere Lebenswelten. Jeder, der versucht, den Kulturbegriff für sich zu definieren, muss sich darüber bewusst sein, dass er/sie selbst eine kulturelle Brille trägt. Jede und jeder sollte darauf achten, was unter dem Deckmantel der kulturellen Zuschreibungen versteckt ist: ökonomische, soziale, geschlechtsspezifische, religiöse, politische oder andere Sachverhalte und Ideologien. Kultur allein kann keine Erklärung dafür geben, wer oder was der einzelne Mensch ist.
Im Rahmen eines interkulturellen Trainings werden unter anderem die dargestellten theoretischen und wissenschaftlichen Begriffe und Konzepte auf die Arbeitswelt übertragen und Räume geschaffen, um das eigene professionelle Handeln im Berufsalltag unter Aspekten der Kultur zu reflektieren. Auf diese Weise kann es gelingen, die Mitarbeitenden in ihrer Wahrnehmung zu sensibilisieren und sie für die Vielfalt der Menschen, die sie begleiten und unterstützen, zu öffnen.
„Es gibt die Maxime: Immer offen dafür sein, dass der oder die andere anders sein könnte, als man dachte.“ (G. Auernheimer)
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